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#residenz

6. Dezember 2023 Lea-Maria Kneisel

„We want to invite our dead grandmothers to be part of this piece“

Wenn sich Nagao Akemi, Bettina Mileta, Evelyn Saylor und Johanna Ackva zur Probe treffen, dann sind wieder die Grandmothers im Einsatz. Diesen Spitznamen geben sich die vier Künstler*innen, seitdem sie an ihrer gemeinsamen Performance „Grandmothers“ arbeiten.

Die gemeinsame Arbeit startet bereits im Herbst 2021 im Zuge der Performance-Reihe Dirty Debüt. Das Team, das zu diesem Zeitpunkt aus Akemi, Evelyn und Johanna besteht, beschäftigt sich für die damals gezeigte Performance intensiv mit den eigenen Großmüttern Takako, Elisabeth und Virginia. Am Ende begegnen sie im Dezember 2021 auf der Bühne des Ballhaus Ost den Erinnerungen an ihre Großmütter.

Während Akemi und Johanna, die beide Choreografin und Tänzerin sind, hierfür auf der Bühne performen, kreiert die Sängerin und Komponistin Evelyn im Rahmen einer Live-Komposition durch elektronische Verzerrungen und Manipulation die Stimmen aus dem Dies- und dem Jenseits.

#invitation

Im Rahmen der Bewerbung für die Residenz "Vertiefungen" in den Uferstudios gibt es dann konkrete Pläne für die Weiterentwicklung des Stücks. Die selbsternannten Großmütter möchten die Kostümdesignerin Bettina mit ins Team holen. Die Vier wollen für die Wiederaufnahme an einer längeren Version von „Grandmothers“  arbeiten. „Wir hatten das Gefühl, dass wir das Thema gerne noch ausweiten würden, auch indem wir nochmal einen Schritt zurückgehen und dabei tiefer graben – also quasi rein- und rauszoomen zur gleichen Zeit.“, erklärt Johanna. „Außerdem“, ergänzt Akemi, „wollten wir nun alle unsere Großmütter in den Arbeitsprozess involvieren. In der ersten Arbeitsphase haben wir uns insgesamt nur mit drei Großmüttern auseinandergesetzt. Diesmal wollen wir alle acht in den Entstehungsprozess einladen.“

Als sie im Zuge des Berliner Residenzprogramms dann ab Juli 2023 die Arbeit an ihrer Performance fortsetzen, ändern sie ihre Arbeitsstruktur. „Ich hatte Lust, ebenso auf der Bühne zu stehen, weshalb ich den anderen vorschlug, dass wir eine Form finden, bei der wir alle in die Performance mit einbezogen werden.“, erzählt Bettina. So beginnt eine offene Forschungsphase, in der sie ihre individuellen Bereiche miteinander teilen und die entsprechenden Praktiken in ihre Performance inkludieren.

"Durch unsere Arbeit führen wir uns auch immer wieder vor Augen, wie naiv und unkritisch der Diskurs in unserer Gesellschaft über die Rolle der Großmutter geführt wird."

Während des Probenprozesses erzählen sich die Künstlerinnen immer wieder von ihren Großmüttern. Von dem Leben, das diese Frauen geführt haben, den unterschiedlichen Kulturen, in denen sie aufgewachsen sind und auch vom Verhältnis, das sie selbst als Enkelinnen zu ihnen haben. Und obwohl keine der Großmütter heute noch am Leben ist, werden sie u.a. durch dokumentarische Zeitzeugnisse im Probenprozess präsent. Evelyn, die ein sehr enges Verhältnis zu ihren Großmüttern hatte, besitzt heute noch Briefe und WhatsApp-Nachrichten von ihnen, die sie im Laufe des Projektes mit den anderen teilt. Akemi, Bettina und Johanna wiederum haben ihre Großmütter zu Lebzeiten teilweise nicht einmal kennengelernt. Sie begegnen ihnen durch Fotografien und durch Erzählungen, die in der jeweiligen Familie überliefert wurden. Es wird deutlich: Die Großmütter haben das Leben der Künstlerinnen ganz unterschiedlich geprägt. Durch den Austausch lernen sich die vier Künstlerinnen noch einmal auf einer anderen Ebene kennen. Es werden komplexe und facettenreiche Verbindungen deutlich und es entblättern sich nach und nach zusätzliche Schichten der eigenen Identität, die zuvor niemand wahrgenommen hat.

Zur gesellschaftlichen Dimension des Themas sagt Johanna: „Durch unsere Arbeit führen wir uns auch immer wieder vor Augen, wie naiv und unkritisch der Diskurs in unserer Gesellschaft über die Rolle der Großmutter geführt wird. Es ist fast wie bei Disney: Eine Großmutter ist in den Augen der meisten Menschen eine alte Frau, die am laufenden Band Kekse backt, sich durch ihre überbordende Liebe zu ihren Enkel*innen auszeichnet und eine mütterliche Position innerhalb des patriarchal geprägten Familiengefüges einnimmt – einem Gefüge, in dem die Care-Arbeit immer noch überwiegend von Frauen geleistet wird.“ Dass es jedoch auch okay ist, wenn alte Frauen diesem Bild nicht entsprechen, dass nicht jede Frau, die eine Großmutter ist, sich stets für andere aufopfern muss und dass, wenn das der Fall ist, dies nicht selbstverständlich ist – all das ist Thema bei den Grandmothers.

 

Im Rahmen des Berliner Residenzprogramms 2023 der Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt haben Nagao Akemi, Bettina Mileta, Evelyn Saylor und Johanna Ackva im Juli und August 2023 über das Programm „Vertiefungen“ insgesamt drei Wochen in den Uferstudios geprobt. Die Künstlerinnen haben ihre Arbeit „Grandmothers“ am 4. und 5. November 2023 im Theater Vierte Welt präsentiert.  (https://viertewelt.de/)

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