25. Januar 2023 Lea-Maria Kneisel
I can not not talk about motherhood, when I talk about myself
Zunächst die Pandemie, dann die Geburt ihres ersten Kindes: Während die Künstlerin Judith State an ihrem Projekt „Ember“ arbeitet, ändert sich nicht nur in der Welt, sondern auch für sie selbst sehr viel.
Als sie im Jahr 2020 mit ihrer Recherche zu „Ember“ anfängt, ist das Projekt selbst noch als Reminiszenz an ihre ungarische Kindheit bei ihren Großeltern angedacht. Die in Bukarest lebende Schauspielerin, Tänzerin und Choreografin wird zu diesem Zeitpunkt eingeladen, im Rahmen des zweijährigen Förderprogramms Creative Crossroads von Life Long Burning eine Heimatresidenz in Rumänien anzutreten. Hierbei möchte Judith vor allem dem menschlichen Erinnerungsvermögen auf dem Grund gehen – ein Thema, dem sie sich bereits in ihrer vorangegangenen Arbeit „Emlék“ gewidmet hat.
"Relevante künstlerische Arbeit zu machen bedeutet für mich zwangsläufig auch, mich bis zu einem gewissen Grad selbst zu exponieren."
Nachdem diverse Lockdowns die weitere Arbeit an „Ember“ zum Stillstand bringen, wird Judith im Jahr 2020 zum ersten Mal Mutter. Durch diese einschneidende Erfahrung beginnt sich „Ember“ zu transformieren: „Ich begann mich zu fragen, wie ich meine Arbeit tiefergehender gestalten könnte. Relevante künstlerische Arbeit zu machen bedeutet für mich zwangsläufig auch, mich bis zu einem gewissen Grad selbst zu exponieren. Ich merkte durch meine Arbeit an „Ember“ jedoch, dass dieser Anspruch auch selbstausbeuterisch ist. Ich hatte seit jeher das Gefühl, immer performen zu müssen, wenn die Augen auf mich gerichtet sind. Und ständig performen zu müssen ist auf Dauer sehr anstrengend.“
Im Frühjahr 2022 nimmt Judith ihre Arbeit an „Ember“ im Rahmen einer Solo-Residenz am Veem House Amsterdam wieder auf, danach holt sie sich für ihre zweiwöchige Residenz in den Uferstudios Mitstreiter*innen hinzu. Den starken Drang, beständig etwas tun zu müssen, zu leisten und zu performen, kennen der Performer István Téglás sowie der Musiker Radu Dumitriu nur allzu gut. Letzterer begann seine Karriere mit einem Studium am Konversatorium, für das er teilweise bis zu 8 Stunden am Tag neben dem Unterricht geübt hat.
Being without Doing - die natürlichen Choreografien des menschlichen Körpers
Während der Residenz üben sich die Drei im „Being without Doing“ – so nennt die Choreografin die natürlichen Bewegungen des Körpers, die da sind, ohne sie inszeniert zu haben und die dennoch ein ganz eigenes choreografisches Muster bilden. „Gemeinsam haben wir während unserer Residenz den Drang widerstanden, etwas tun zu müssen. Die Rahmenbedingungen der Residenz haben uns das natürlich erleichtert – ganz ohne Produktionsdruck zu arbeiten hat uns allen und auch letzten Endes „Ember“ sehr gut getan. In der Zeit in den Uferstudios habe ich gemerkt, wie wichtig es mir mittlerweile ist, mit Menschen zu arbeiten, die mir nahe sind und mit denen ich mich wohl fühle. Ich hatte während der Residenz sehr oft mein Kind mit im Studio dabei und es war spannend zu merken, wie die stetige Anwesenheit meines Kindes die Arbeit stark geprägt hat. Deswegen ist in gewisser Weise „Ember“ auch eine Arbeit über Mutter- bzw. Vaterschaft. Ich kann mittlerweile gar nicht mehr nicht über Mutterschaft reden kann, wenn ich über mich selbst rede. Das gehört zu mir und deswegen auch zu meiner Kunst dazu.“
Judith State wurde 2020 vom europäischen Netzwerkprojekt Life Long Burning (LLB) im Rahmen des 2-jährigen Programms Creative Crossroads eingeladen, um an ihrem Projekt „Ember“ zu arbeiten. Im Rahmen der strukturellen Unterstützung durch das LLB-Netzwerk hat sie im August 2022 für eine Künstler*innenresidenz zwei Wochen lang in den Uferstudios gearbeitet. In dieser Zeit haben wir sie an einem warmen Augustnachmittag auf ein Gespräch im Hof getroffen. Ihre Arbeit "Ember" feierte am 4. November 2022 im WASP Bukarest Premiere.